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Abwrackprämie am Limit

(Update 31. März 2009: Der Geschäftsführer der Babiel GmbH, Herr Dr. Rainer Babiel, hat mich gebeten noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass seine Firma nicht für das BAFA-Webformular rund um die Abwrackprämie verantwortlich ist. Das betrifft auch das Hosting. Dies geht auch aus den Nachträgen zu diesem Blogbeitrag hervor.)

Ich gehöre auch zu denen, die sich heute morgen mit einer Funkuhr bewaffnet vor den Rechner setzten, um am Wettrennen um die Reservierung der "Abwrackprämie" teilzunehmen. Der Wettstreit wurde um 8 Uhr vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eröffnet unter www.ump.bafa.de.

Bereits vor einer Woche habe ich mich schon zusammen mit einem Freund über den vorherzusehenden Zusammenbruch aufgeregt. Denn was die Sache so heikel macht: Jeder über die Webseite gestellte Antrag wird mit einer Zeitmarke versehen. Wer zuerst auf dem Webserver der BAFA registriert wird, der wird vorrangig bei der Gewährung der Umweltprämie für Altfahrzeuge behandelt. Bekanntlich ist der Geldtopf für die Prämie limitiert.

Um 8 Uhr lief rein gar nichts. Nicht einmal ein "ping" ging an den Webserver durch. Um 8:14 Uhr bekam ich einen ersten "Sneak Preview" auf das Formular. Ein nettes Gimmick hat man sich da ausgedacht: Mit der Auswahl des Fahrzeugherstellers beginnt die Webseite irgendetwas nachzuladen, ich vermute den Fahrzeugtyp -- und kriegt natürlich keinen Kontakt mehr zum Server, da der überlastet ist.

Ich rufe bei der BAFA an und melde meinen Protest an. Natürlich sitzt dort eine ebenso überlastete Dame im CallCenter. Über 90% der Anrufe seien Beschwerden zum Thema, sagt sie. Über das Impressum der BAFA finde ich heraus, wer für den Internet-Auftritt verantwortlich und technischer Provider ist. Ich rufe dort um 10:05 Uhr an. Die Dame der Babiel GmbH kann mir lediglich verraten, dass man um das Problem des überlasteten Webauftritts wisse und man an seiner Behebung arbeite. Eine alternative IP-Adresse habe sie nicht. Und wann man den Server wieder im Griff habe, könne sie auch nicht sagen.

Tja. Ich bin fassungslos -- und verärgert. Wie kann man so naiv sein? Nach diesem medialen und politischen Getöse um die Abwrackprämie ist ja wohl nicht schwer vorherzusehen gewesen, dass heute morgen Autohäuser, Privatmenschen und viele Journalisten für unzählige HTTP-Requests auf www.ump.bafa.de sorgen würden. 2.500 Euro sind ein mächtiger Anreiz für den Besuch der Webseite. Und wie kann man ein Formular entwerfen, das die Serverlast mit Nachladerei noch erhöht und den Frust aller Reservierungswilligen nur steigert?

Die BAFA stellt Regelungen auf, deren technische Umsetzung die von ihr beauftragte Firma nicht zu beherrschen scheint. Damit ist die Reservierung der Umweltprämie kein faires Verfahren mehr. Es ist keine Sache der Schnelligkeit mehr sondern ein Glücksspiel, wer hier wann zuerst seinen Antrag elektronisch einreichen kann. Das wird eine Welle des Protests erzeugen. Die BAFA kann als Lösung eigentlich nur noch die Reihenfolge der heutigen Reservierungen per Losentscheid erstellen. Fraglich bleibt, ob man seinen Antrag heute überhaupt noch per Webformular stellen kann. Mittlerweile ist es fast 11 Uhr. Über drei Stunden hat niemand das Problem lösen können.


Nachtrag 0:39 Uhr, 31. März: Unfassbar! Ein letzter Versuch vor dem Weg ins Bett beschert mir unverhofft ein Erfolgserlebnis: Der Antrag ist durch! Nach etwas mehr als 16 Stunden! Die zugeteilte Vorgangsnummer liegt über einer Million. Was mir das sagen soll, weiß ich nicht. Hoffentlich nichts Ungutes.

Nachtrag 22:52 Uhr: Die Webseite zur Reservierung der Umweltprämie scheint gänzlich vom Netz zu sein. In einer Pressemitteilung bedauert das BAFA "technische Schwierigkeiten" und verkündet "externer Dienstleister arbeitet an Lösung". Wir dürfen gespannt sein, was es mit den in der Pressemitteilung erwähnten Denial-of-Service-Attacken auf sich haben soll -- das BAFA will morgen um 10 Uhr weitere Hinweise auf seinen Webseiten veröffentlichen. Ich bin gespannt, ob sich der BAFA-Datenschutzbeauftragte Ulrich Schydlo (siehe BAFA-Impressum) morgen aufgeweckt zeigt. Allein die unverschlüsselten Formulareingaben hätte er wohl kaum tolerieren dürfen. Sollten die heise-Meldungen stimmen, dann hätte er allen Grund vehement einzuschreiten.

Nachtrag 18:58 Uhr: Auf heise.de ist vor einer halben Stunde von massiven Pannen in Sachen Datenschutz berichtet worden: "Auto-Abwrackprämie: Daten(schutz)pannen bei Online-Reservierung". Die Bestätigungsmails werden angeblich nicht immer an die richtigen Antragsteller(innen) geschickt. Ich bin nicht einen Schritt weiter gekommen. Im Moment sieht es nicht besser als kurz nach 8 Uhr heute morgen aus.

Nachtrag 17:04 Uhr: Die Reaktionszeiten des Portals haben sich spürbar verbessert. Nun kann ich wiederholt meine Daten angeben, um dann dabei unterbrochen zu werden mit dem Hinweis:

Willkommen auf dem Antragsportal für die Umweltprämie!

Leider ist das Antragsportal zur Zeit überlastet. Bitte versuchen Sie es in einigen Minuten erneut. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Auf mein Verständnis sollte man nach einem Tag nicht mehr hoffen!

Nachtrag 15:05 Uhr: Immerhin, ich bin bis zur Gotcha-Seite vorgedrungen. Ich klicke auf weiter und komme zur einer Seite mit dem wörtlichen Hinweis:

Aktuell laden sehr viele Antragsteller einen Kaufvertrag hoch.

Die Anzahl paralleler Uploads ist aber begrenzt. Diese Seite aktualisiert sich automatisch, bis Sie Ihren Upload starten können.
Verzichten Sie bitte daher auf die Funktion 'Neu laden'

Die Wartezeit sollte 60 Sekunden nich überschreiten.

Ja, da steht "nich überschreiten". Übrigens muss man als Vollendung dieser Unprofessionalität den Versand der eigenen Daten über eine unsichere Verbindung hinnehmen! Das ist schon fast ein regelrechter Datenskandal!

Nachtrag 12:58 Uhr: Im Impressum der BAFA ist mittlerweile ein Hinweis erschienen, dass die Formularseite für die Reservierung der Umweltprämie nicht von der Babiel GmbH gehostet wird. Als ich dort gegen 10 Uhr anrief, wusste die Firma selbst das noch nicht ...

Nachtrag 11:53 Uhr: Die folgende Meldung findet sich auf der Homepage der BAFA -- auch das hat Stunden gedauert:

Aufgrund von technischen Problemen kommt es derzeit zu Schwierigkeiten beim Aufruf und beim Ausfüllen des Reservierungsantrags, die nicht im Einflussbereich des BAFA liegen. Das BAFA unternimmt alles in seiner Macht stehende, damit dieses Problem schnellstmöglich behoben wird. Bis dahin bitten wir um Ihr Verständnis.

Die Meldung an sich ist bereits amüsant. Die technischen Probleme liegen nicht im Einflussbereich der BAFA. Dennoch will man Mächte aktivieren, die Einfluss auf den Einflussbereich nehmen. Spannend!

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