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Von der Leichtigkeit, ein Startup zu gründen

Am vergangenen Wochenende fand der Entrepreneuship Summit in Berlin statt. Etwa 1200 Teilnehmer füllten den Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin. Vorträge wechselten sich ab mit Impulsgruppen. Ging es am Samstag noch etwas zaghaft zu, kam am Sonntag mehr Bewegung und Stimmung auf. Man hatte sich am Vortag zaghaft beschnuppert, orientiert und allmählich in ein Gefühl gemeinschaftlicher Absichten eingefunden. So "störte" eine kleine Gruppe den Programmablauf am Sonntagmorgen und rief zum "Funky Business" auf; man wolle sich in Berlin-Tempelhof zusammentun und ein kleines Silicon Valley aufbauen -- nur besser. Sowas, so mein spontaner Gedanke, ist eben nur in einer Großstadt möglich. Und vielleicht sind die Berliner sogar experimentierfreudiger als andere Großstädter; vielleicht eben auch williger, das Scheitern mit in Kauf zu nehmen.

Veranstaltet hat den Summit die Stiftung Entrepreneurship. Dahinter steht als treibende Kraft Prof. Dr. Günter Faltin. Er hat mit seinen Studierenden das Unternehmertum real in der freien Wildbahn des Marktes ausprobiert. Herausgekommen ist dabei die sogenannte Teekampagne, die sich rühmen darf, den Teemarkt neu aufgemischt zu haben. Günter Faltin hat das und seine Gedanken zum Unternehmertum festgehalten in dem Buch "Kopf schlägt Kapital". Ein absolut lesenswertes Buch! Seine Art des "Entrepreneurship Design" prägte die Veranstaltung durch und durch. Es ist die neue "Leichtigkeit des Unternehmertums", mit der man von einer Idee zu einer Unternehmensgründung kommt. Heute lässt sich eine Vielzahl von Komponenten "einkaufen". Es ist nicht mehr nötig ein Büro zu haben, die Buchhaltung zu führen, selbst Produktionsanlagen zu betreiben, Bestellung und Versand in die Hand zu nehmen. Es genügt, sich aus diesen Komponenten das eigene Unternehmen masszuschneidern. Man muss nicht mehr Alleskönner sein. Man kann sich ganz auf das konzentrieren, was den Kern eines Unternehmens ausmacht: Die Geschäftsidee, die Konzeption der Idee und ihre Ausrichtung am Markt.

Den einen oder anderen mag das erinnern an die "4-Hour Workweek" ("Die 4-Stunden Arbeitswoche") von Tim Ferriss. Er vertritt eine ähnlich autonome, komponentenbasierte Unternehmensarchitektur, in Teilen sogar radikaler als Prof. Faltin. So war es denn kein Zufalls, dass ein Vortrag eine Videoeinspielung war, in der Prof. Faltin Tim Ferriss interviewte. Bedauerlicherweise war die noch am Samstagmorgen angekündigte Video-Liveschaltung mit Ferriss nicht zustande gekommen.

Ich kann nicht aus eigener Erfahrung mitreden. Aber es hat in der Tat den Anschein, als sei es nie zuvor so leicht und risikoarm gewesen, ein Unternehmen zu gründen. Manch junger Unternehmer setzt sein Unternehmenskonzept so konsequent auf, dass Kosten erst entstehen, wenn Kunden das Produkt bestellen oder die Dienstleistung nutzen. Das ist ein faszinierendes Extrem. Der Gründer der Laktasekampagne (der Name deutet es an, die Teekampagne war das Vorbild) Martin Lipsdorf sagte, er habe sein Unternehmen mit 700€ an den Start gebracht. Hui! Das hat was, oder?

Sascha Lobo -- wer ihn nicht kennt: eine auffallend unauffällige Erscheinung, wäre da nicht die rote Irokesen-Frisur -- berichtete als selbsternannter "Scheiterexperte" vom Scheitern. Auch das war also Thema. So leicht es heutzutage sein mag, ein Startup zu gründen, so leicht ist auch das Scheitern geworden. Es ist ja nicht gleichzeitig leichter geworden, sich auf dem Markt zu behaupten und in einer Nische einzunisten. "Fail often and adapt", das könnte man als Botschaft da raushören. (Ein Buchtipp am Rande: "Adapt: Why Success Always Starts with Failure" von Tim Harford.) Die Lernzyklen sind kürzer geworden. Man kann sich allmählich "warmgründen", bis es klappt! Und man sollte sich ohnehin darauf einstellen, die Geschäftsidee immer wieder anzupassen und zu tunen. Das berichteten einige Gründer in einer Impulsgruppe.

Wer sich Mut holen möchte zum Gründen: Ich bin sicher, im Oktober 2012 findet wieder ein Entrepreneurship Summit in Berlin statt. Einfach hinfahren und Erfahrungen austauschen. Ich habe 75€ Teilnahmegebühr bezahlt, der Betrag sollte für künftige Entrepreneure erschwinglich sein.

P.S.: An meine Zunft der Softwareschrauber: Die "School of Design Thinking" des Hasso Plattner Instituts (HPI) aus Potsdam war mit einem Vortrag zu "Enabling Innovation with Design Thinking" vertreten. Da geht es zwar nicht nur um Innovationen mit Software. Aber wenn Software eine Rolle spielt, dann macht es kaum einen Unterschied. Da werden "Prototypen" mit Stift und Papier, Knete, Playmobil und Lego realisiert. Anders lässt sich die prototypische Entwicklung eines Produkts an einem Tag gar nicht durchziehen. Dahinter steckt Methode. Kurze Zyklen, das Scheitern inbegriffen, sollen eine Innovation zu einem nützlichen, marktfähigen Produkt reifen lassen. Das Ganze hat mich sehr neugierig gemacht. Eine "School of Design Thinking" an der Hochschule Heilbronn, das wäre mal was ... fehlt uns doch nur ein kapitalkräftiger Förderer! Das "Design Thinking" ist sehr personalintensiv in der Betreuung der studentischen Gruppen.

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