Direkt zum Hauptbereich

Ist der Kassen-Bug von Lidl ein Bug?

Mein Posting "Lidl und der Kassen-Bug" ist seit seinem Erscheinen immer noch der am meisten gelesene Beitrag in meinen Denkspuren. Nie hätte ich daran geglaubt, dass er diese Popularität genießen würde, denn er ist einer von den Beiträgen, die mir selber weniger bedeuten. "Lidl und der Kassen-Bug" erschien am 15. April 2008. Ich hatte den Tipp von einem meiner Studierenden bekommen. Allerdings wollte ich mit eigenen Augen sehen, ob der Tipp wirklich das versprochene Ereignis auslöst, bevor ich darüber blogge.

Als ich über den Kassen-Bug berichte, gibt es einen kleinen, fast schon aufregenden Peak in den Visits (ich nutze Google Analytics). Die seinerzeit noch üblichen 20, 30, 40 oder auch mal 50 Visits an einem Tag schrauben sich am 15. April auf ungekannte 97 Visits hoch. Am Folgetag gibt es 190 Visits zu verzeichnen, dann 124, dann 100, ... und dann ist schon wieder alles beim alten. Ein paar Tage später, mit Beginn der neuen Woche beginnt es zu rumpeln. Genau eine Woche später, am 22. April scheint der Beitrag auf das Radar von Lesern zu kommen, die sonst die Denkspuren nicht besuchen. Am 4. Mai verzeichne ich den absoluten Besuchsrekord: 5.362 Visits an einem Tag! Es ist ein Peak, aber in der Folgezeit habe ich immer noch ungewohnt hohe und teils stark schwankende Besuchszahlen. Allein in der Zeit vom 22. April bis zum 21. Mai 2008 zählt Google Analytics 25.150 Visits und 34.586 Pageviews. Anfang Juni ist der "Spuk" vorbei. Die Besuchszahlen pendeln sich allmählich wieder auf die Ausgangsdimensionen ein. Ich darf seitdem lediglich im Mittel eine etwas höhere Besuchszahl verzeichnen, meist in der Spannbreite von 35 bis 70 Visits/Tag. In den letzten 30 Tagen (29. Januar - 27. Februar) gab es 1.608 Visits und 1.987 Pageviews.

Das Ganze war für mich eine absolut interessante Lehrstunde in Sachen Dynamik, die das Web entwickeln kann! Beliebte Seiten, wie golem.de, hatten über "Lidl und der Kassen-Bug" berichtet und einen Teil des Ansturms ausgelöst. Ich hätte diese Entwicklung niemals für diesen Beitrag vorauszusagen gewagt. Never ever!

In den Kommentaren zu dem Posting (in meinem Blog und anderswo) spekulieren einige meiner Leser(innen) sehr phantasiereich über die Umstände der möglichen Entstehung des Kassen-Bugs. Einige haben sogar konkrete Codezeilen vor Augen. Nur eine sehr kleine Fraktion hält das von mir als Bug deklarierte Ereignis gar nicht für einen Fehler. Kann es sein, dass der Kassen-Bug bei Lidl gar kein Bug, sondern ein Feature ist?

Gut möglich. Dafür spricht, dass die Kasse bei dem Null-Betrag weder abstürzt noch abraucht (das wäre ein Spaß, was?! ;-), sondern ein definiertes Verhalten zeigt. Dagegen spricht, dass die Kassierer und Kassiererinnen auf dieses Kassenverhalten gar nicht vorbereitet sind. Sie reagieren ratlos, weil sie den Fehler nicht kennen, oder lösen das Problem mit einem Workaround ("Ich zieh das hier wieder ab, dann geht die Kasse wieder und sie zahlen das hier dann gesondert, ok?"). Was für ein Interesse sollte ein Discounter daran haben, bei einer Nullsumme die Kasse zu blockieren, wenn der Workaround so simpel ist?

Ist der Kassen-Bug nun ein Bug oder ein Feature?

Ich plädiere zwar auf Bug, glaube die Argumente auf meiner Seite, aber das will nichts heißen. Meinen kann man im Web viel. Letztlich ist die Frage nicht zu beantworten. Es sei denn, wir verlassen die Komfortzone des Browserfensters, begeben uns in die Welt da draußen und klären das Phänomen des Kassen-Bugs auf.

Wollen Sie wissen, ob der Kassen-Bug ein Bug ist? Wollen Sie mir das Gegenteil beweisen?

Finden Sie's raus! Besuchen Sie den nächsten Lidl und fragen Sie bei der Filialleitung nach. Vielleicht kommen Sie da weiter. Oder greifen Sie zum Telefon, rufen bei Lidl an und bitten um Kontakt mit dem "Kassen-Verantwortlichen"; man könnte es bei der Lidl-eigenen IT-Abteilung versuchen. Wer ist der Hersteller der Kassen? Kann man Ihnen dort in der Entwicklungsabteilung einen Hinweis geben oder das Problem aufklären? Irgendwo da draußen in der Realwelt gibt es jemanden, der uns die Frage "Bug oder Feature?" beantworten kann.

Der Erste bzw. die Erste, der/die mir bis zum 31. März 2009 eine EMail schickt mit einer nachvollziehbaren Antwort unter Quellenangaben wie z.B. Gesprächspartner samt Telefonnummer (ich möchte Ihre Angaben überprüfen können), dem verspreche ich ein kleines Buchgeschenk. Da wir das Darwin-Jahr haben, habe ich für Sie das Buch von Joachim Bauer "Das kooperative Gen" ausgesucht. Sie dürfen sich bei akzeptierter Antwort aber auch gerne ein anderes Buch bis 20 Euro wünschen.

Viel Erfolg!

[Nachtrag vom 10. März: Meinen herzlichen Glückwunsch an Marius Heisler. Dank seiner Recherchen weiß ich nun, dass der Kassen-Bug bei Lidl definitiv kein Feature ist. Heute hat mir die Pressestelle von Lidl das bestätigt. Die Pressesprecherin spricht selber von einer Kasse, "die sich aufgehängt hat". Sie bittet jedoch um Verständnis, "dass wir darüber hinaus keine detaillierten Angaben zur Softwarethematik machen möchten". Schade eigentlich.]

Beliebte Posts aus diesem Blog

Lidl und der Kassen-Bug

Es gibt Fehler, im Informatiker-Jargon "Bugs", die etwas anrühriges haben. Ich bat den Menschen an der Kasse bei Lidl um einen Moment Geduld und meine Kinder um Ruhe, um nicht den wunderbaren Moment zu verpassen, bei dem es passierte. Der Lidl-Mensch fluchte kurz auf -- und ich war entzückt! "Einen Moment, davon muss ich ein Foto machen!" Und dann machte ich noch eines. Ich bin heute extra für diesen Fehler zu Lidl gepilgert -- ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Gestern hat mir ein Student (vielen Dank Herr Breyer) von diesem Fehler in einer EMail berichtet. Ein richtig schöner Fehler, ein Klassiker geradezu. Ein Fehler, den man selten zu Gesicht bekommt, so einer mit Museumswert. Dafür wäre ich sogar noch weiter gereist als bis zum nächsten Lidl. Der Fehler tritt auf, wenn Sie an der Kasse Waren im Wert von 0 Euro (Null Euro) bezahlen. Dann streikt das System. Die kurze Einkaufsliste dazu: Geben Sie zwei Pfandflaschen zurück und Lidl steht mit 50 Cent bei Ihne

Syntax und Semantik

Was ist Syntax, was ist Semantik? Diese zwei Begriffe beschäftigen mich immer wieder, siehe zum Beispiel auch " Uniform Syntax " (23. Feb. 2007). Beide Begriffe spielen eine entscheidende Rolle bei jeder Art von maschinell-verarbeitbarer Sprache. Vom Dritten im Bunde, der Pragmatik, will ich an dieser Stelle ganz absehen. Die Syntax bezieht sich auf die Form und die Struktur von Zeichen in einer Sprache, ohne auf die Bedeutung der verwendeten Zeichen in den Formen und Strukturen einzugehen. Syntaktisch korrekte Ausdrücke werden auch als "wohlgeformt" ( well-formed ) bezeichnet. Die Semantik befasst sich mit der Bedeutung syntaktisch korrekter Zeichenfolgen einer Sprache. Im Zusammenhang mit Programmiersprachen bedeutet Semantik die Beschreibung des Verhaltens, das mit einer Interpretation (Auslegung) eines syntaktisch korrekten Ausdrucks verbunden ist. [Die obigen Begriffserläuterungen sind angelehnt an das Buch von Kenneth Slonneger und Barry L. Kurtz: Formal Syn

Mit Prof. Handke im Gespräch: Vom Workbook zum Inverted Classroom

Aus dem Netz in Handkes Büro Es gibt diese schönen Momente, da führen soziale Medien zu sozialen Begegnungen im echten Leben. Ich twittere im Nachgang zur #BiDiWe16, ein Dialog mit Jürgen Handke ergibt sich, er schickt mir seine Telefonnummer, ich rufe sofort durch, wir verabreden uns. Drei Tage nach der #BiDiWe16 sitze ich bei Handke im Büro, das gleichzeitig sein beachtlich ausgestattetes Aufnahmestudio beherbergt. Es ist Freitagmorgen, 9. September 2016. Jürgen Handke ist mir kein Fremder. Ich habe zwei seiner ICM-Konferenzen besucht, auf der #BiDiWe16 in Berlin hielt er die Keynote. Er hat für seine Lehre Preise erhalten, zuletzt 2015 den Ars Legendi-Preis für exzellente Hochschullehre. Zugegeben, ich hadere mit dem Konzept des Inverted Classroom -- auch Flipped Classroom genannt. Meine Erfahrungen mit der Programmierausbildung von Informatik-Studierenden des 1. und 2. Semesters lassen mich zweifeln. Videos habe ich auch schon produziert, aber vor allem das selbstgesteuerte