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Die Anerkennungsfalle

In einem Unternehmen, in der Hochschule, in der Forschung, überall zählen Resultate. Die Wirtschaft ist resultatorientiert, und die Bildung ist es. Wenn die Resultate stimmen, dann ist es egal, wann und wo man die Resultate erzielt hat. Dafür hat sich sogar ein Begriff herausgeprägt, das Results-Only Work Environment (ROWE). So radikal ernst kann man das mit den Resultaten nehmen.

So verbuchen wir für jeden Menschen, mit welchem Zeitaufwand er oder sie ein Resultat erzielt. Hat er, hat sie viel oder wenig Zeit für das Resultat aufgewendet? So lässt sich jede Person auf der Kurve im folgenden Diagramm verorten.


Einen High-Performer zeichnen Resultate bei wenig Zeitaufwand aus. Ein Low-Performer benötigt dagegen viel Zeit, sehr viel Zeit für wenig an Resultaten.

So weit, so gut. Was passiert nun, wenn ein Arbeitnehmer vor seinem Chef oder ein Studierender vor seinem Dozenten steht? Menschen suchen Anerkennung, sie fordern sie teils sogar ein.

So wird der High-Performer unzweifelhaft Anerkennung wünschen für seine Effizienz.

Effizienz = Resultate / Zeit

Und die sei ihm oder ihr auch gegönnt. "Mensch, das Projekt haben Sie mit diesem brillanten Einfall gerettet, Frau Maier. Und das haben Sie in nur einer Woche umgesetzt! Großartig." -- "Die Lösung haben sie ausgezeichnet umgesetzt, mein lieber Student. Was sie da von letzter Woche bis heute hinbekommen haben, verbessert nun eindeutig die Qualität unserer Ergebnisse."

Und was ist mit dem Low-Performer? Sie sind ganz Mensch, wir mögen einem Menschen nicht ins Gesicht sagen, dass die Ergebnisse mager sind. Er oder sie weiß das vermutlich selber und gibt es sogar zu. "Herr Professor, ich weiß, da ist nicht so viel bei rumgekommen. Es sieht ja fast danach aus als hätte ich nichts getan. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Ich habe viel im Internet recherchiert, gelesen, Sachen ausprobiert und -- ja, da habe ich mich verrannt. Aber ich habe was rausgekriegt. Ich war enorm fleißig. Ich habe das sogar protokolliert, was ich alles gemacht habe. Gucken Sie mal, selbst übers Wochenende habe ich gearbeitet. Ich war ungemein fleißig." Und da haben wir's, der Studierende, der Mitarbeiter möchte für seinen Fleiß entlohnt werden.

Fleiß = Resultate x Zeit

Das ist nicht von der Hand zu weisen. Fleiß kann man ihm/ihr nicht absprechen. Also zeigen Sie Anerkennung und liefern eine Entschuldigung gleich mit: "Da haben sie aber wirklich viel getan. Hm, vielleicht war die Aufgabe auch ein wenig zu schwierig. Das habe ich nicht vorausgesehen. Und sie haben Biss gezeigt, das gefällt mir."

Es liegt in unserer menschlichen Natur. Wir wollen einem Mitmenschen nicht jegliche Anerkennung verweigern. So loben wir, was zu loben bleibt. Beim einen die Effizienz, beim anderen den Fleiß. Und so wird der High-Performer zum Effzienten und der Low-Performer zum Fleißigen. Mit der begrifflichen Verschiebung ist der Gerechtigkeit Genüge getan. Es geht nicht mehr um die Performanz, es geht um Effiziente und Fleißige.

Ist die Beurteilung der Performanz einmal aufgehoben, so werden Effizienz und Fleiß zu gleichwertigen Währungen. Zwei Effekte brechen sich nun Bahn:
  1. die Grenzziehung verschärft sich,
  2. während die Anerkennung gleichzeitig versucht, die Grenzen aufzuweichen

Nehmen wir den Effizienten. Der Effiziente wird die Fleiß-Formel in die Effizienz-Formel einsetzen und zu dem Ergebnis kommen:

Effizienz = Resultate / Zeit = Fleiß / Zeit^2

Bei gleichem Fleiß, so sieht es der Effiziente, zeigt sich seine Effizienz überdeutlich, die des Fleißigen fällt nämlich umgekehrt quadratisch mit der Zeit.

Was der Effiziente verargumentieren kann, das kann der Fleißige ebenso. Die Effizienz-Formel in die Fleiß-Formel eingesetzt zeigt doch eindeutig, dass -- gleiche Effizienz vorausgesetzt -- der Fleißige "quadratisch" fleißiger als der Effiziente ist.

Fleiß = Resultate x Zeit = Effizienz * Zeit^2

Diese unselige Verschmelzung zweier Sichten zeigt, wie sich die Perspektiven in der Selbstwahrnehmung übersteigert bestätigt finden und vom anderen klar abgrenzen. Und das nur, weil man jedem Anerkennung zollen wollte!

Da dieser Missstand vom Management bzw. Anerkennung spendenden Menschen erkannt wird, kommt es zu paradoxen Botschaften, in dem Bestreben ausgleichen wirken zu wollen. Zum Effizienten heißt es etwa: "Wow, da haben sie ja Wahnsinniges in kurzer Zeit geschafft. Da sie diese Woche noch Zeit haben. Könnten sie sich noch um die Organisation der Tagung kümmern, das hat nämlich bislang niemand Zeit für gehabt." Sprich, der Effiziente soll zum fleißigen Effizienten werden. Übrig gebliebene Zeit ist mit Arbeit zu füllen. Vermutlich der Arbeit, die die Fleißigen nicht hinbekommen, knirscht es beim Effizienten.

Und der Fleißige bekommt die Botschaft: "Da waren Sie aber fleißig und haben viel Zeit für gebraucht. Ich glaube, sie müssen etwas an ihrem Selbstmanagement verbessern. Ich schicke sie da mal auf einen Kurs. Und so sehr ich ihre Arbeit schätze, das hier muss noch unbedingt fertig werden, wir brauchen das für den Kunden. Machen sie das über das Wochenende noch." Der Fleißige soll zum effizienten Fleißgen werden. Er macht Überstunden und sieht den Effizienten wieder zeitig ins Wochenende gehen. Kann der nicht mal aushelfen, wenn es an allen Ecken und Enden eng wird?   

Das kann nicht gut gehen! Die Management-Situation löst nichts.

Was war doch gleich schief gelaufen? In der Ausgangssituation haben wir eine klare Einteilung in High-Performer und Low-Performer, die sich an den Resultaten orientiert. Das menschliche Bedürfnis, jedem auf seine Weise Anerkennung zu zollen, macht plötzlich Effizienz und Fleiß zu gleichwertigen Anteilen, die unauflösbare Probleme generieren. Wir sitzen in der Anerkennungsfalle. Plötzlich bekommt Maier einen Bonus, weil er so effizient ist, und Müller, weil er so fleißig ist. Und Student A eine 1.0 für seine effiziente Bearbeitung des Themas und Student B eine 1.0, weil er/sie sich wirklich viel Mühe gegeben hat.

Menschlich ist das alles verständlich. Gerecht ist es nicht, wirtschaftlich ist es nicht, Bildung bringt es nicht voran. Es ist, um es mit den Worten von Gunter Dueck zu sagen, "schwarmdumm".




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